Du bist nicht allein
Von Stephan Weichert
Immer mehr Kolleginnen und Kollegen haben keine Freude mehr an ihrem Beruf. Zu Scharen laufen sie in den Burnout, das haben in den vergangenen Jahren etliche internationale Studien festgestellt. Tina Groll, Bundesvorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten- Union (dju), hat bereits im Sommer 2022 davor gewarnt, dass die Branche vor dem „kollektiven Burnout“ stünde. Groll forderte Arbeitgeber auf, „sich um ein betriebliches Gesundheitsmanagement zu kümmern, und zwar eines, das vor allem die psychische Gesundheit in den Fokus nimmt“. Anlass für ihren Aufschrei war seinerzeit das Arbeitspapier Arbeitsdruck – Anpassung – Ausstieg der Otto-Brenner- Stiftung, das jedem ans Herz gelegt sei, der sich für die Seele des zeitgenössischen Journalismus interessiert.
Sich überlappende Krisen
Die Sorgen sind seither nicht weniger geworden: Die mentale Belastung im Journalismus hat sich eher potenziert, die Dynamik im Arbeitsmarkt hat sich spürbar verselbstständigt. Die Flucht einiger Kollegen in andere Branchen ist unübersehbar, vor allem Jüngere wechseln, weil die psychische Überlastung zu groß ist. Gerade durch die Doppelbelastung der sich überlappenden Krisen ist vielen angst und bange – als Berichterstatter, die beruflich mit den Folgen von Corona, Ukraine-Krieg, Klimakatastrophe und Energiekrise zu tun haben. Und auch privat finden sich immer mehr Medienschaffende in einer prekären Situation.
Neben der ökonomischen Medienkrise, sind es Vertrauensverlust und mangelnde Wertschätzung, die sich zum überdimensionalen Problem auswachsen: Die Gleichzeitigkeit von ständigen Anfeindungen, aber auch fehlende Präventionsmaßnahmen haben zur Folge, dass journalistische Arbeit viele krank macht.
Kollegialer Austausch
So verdienen jene Respekt, die darüber öffentlich sprechen. Erst kürzlich hat ein Kollege der Braunschweiger Zeitung in einem sozialen Netzwerk über seine Erfahrungen mit dem Burnout geschrieben – nachdem er nach längerer Auszeit (in einer Klinik) wieder in die Redaktion zurückgekehrt war. Die Reaktionen seiner Follower:innen waren durch die Bank ermutigend, empathisch, fürsorglich. Er bekam schon deswegen Zuspruch, weil er sich geöffnet hatte. Auch andere mutige Journalistinnen und Journalisten berichten branchenöffentlich von ihrer emotionalen Erschöpfung und ihren Zukunftssorgen. Das ist bewundernswert und zugleich ermutigend.
Krisen sind zum Dauerstressor geworden, auch neue Technologien im KI-Bereich und fehlende Geschäftsmodelle greifen die Psyche an. Angesichts horrender Vertriebs- und Druckkosten, Einsparungen und ständigen Anpassungsleistungen im Digitalen ist es um die Robustheit im Journalismus daher auch in Zukunft nicht gut bestellt. Was die Branche resilienter macht, ist, in den kollegialen Austausch zu gehen. Denn im Kollektiv sind wir stärker und erkennen: Ich bin nicht allein.
Stephan Weichert ist Medienwissenschaftler und Innovationsberater. Gemeinsam mit Alexander von Streit leitet er das VOCER Institut für Digitale Resilienz, das Bildungsprogramme und systemische Beratung anbietet. (mehr zu Stephan Weichert)