Sichtbarkeit schafft Vertrauen
Von Alexander von Streit
Es ist nicht schön, wenn der eigene Beruf an Bedeutung verliert. Schon gar nicht, wenn er mit so viel Herzblut verbunden ist wie Journalismus. Aber es ist leider so. Im digitalen Wandel haben sich die Koordinaten der Informationsbeschaffung verschoben, und wir sind zwar eine wichtige, aber nur noch eine von vielen Instanzen, die den Stoff dafür liefern. Vorbei die Zeiten, in denen der Medienmix überwiegend aus Zeitungen, Magazinen, Radiostationen und TV-Sendern bestand. Und sie kommen nicht wieder.
Das bedeutet nicht, dass Journalismus nicht mehr wichtig ist. Im Gegenteil. Doch das Problem ist, dass er angesichts tiefgreifender Veränderungen in der Mediennutzung nicht mehr so leicht ein Publikum erreicht. Das zu ändern ist die Herausforderung, für die wir neue Lösungen brauchen, um eine Digitale Resilienz zu entwickeln – also eine Anpassungsfähigkeit an das neue Koordinatensystem, die unseren Beruf am Ende widerstandsfähiger macht in der digitalen Transformation.
Die Strahlkraft journalistischer Marken schwindet im Digitalen
Dafür müssen wir auch an uns und unserem beruflichen Selbstverständnis arbeiten. Denn abseits von unerlässlichen Grundlagen wie gründlicher Recherche, unabhängiger Berichterstattung oder Achtung vor der Wahrheit gibt es andere Qualitätsmerkmale, die Journalismus in einer digitalen Gesellschaft auszeichnen. Und eines davon berührt die Frage, wie stark wir für unser Publikum sichtbar werden.
Es geht um Vertrauen als entscheidende Währung in Zeiten eines digitalen Überangebots an Informationen. Davor konnten journalistische Angebote dieses Vertrauen einfach dadurch erzeugen, dass sie ihre Medienmarken durch jahrzehntelange Arbeit positioniert hatten und diese so als Garant für eine bestimmte Art von Journalismus nach außen strahlten. Doch die Strahlkraft der Marken schwindet im Digitalen. Mindestens bei Menschen, die nicht schon mit ihnen sozialisiert wurden, aber auch bei denen, deren Mediennutzung überwiegend auf Social-Media-Plattformen stattfindet.
Gesicht zeigen, um Vertrauen zu schaffen
Transparente Journalistinnen und Journalisten sind eine Antwort auf die Frage, wie wir diesem Publikum neue Ankerpunkte bieten und so auch Medienmarken neu aufladen können. Es geht dabei nicht darum, ob wir uns als Personen in unsere Geschichten einflechten – obwohl das in manchen Fällen sogar empfehlenswert sein kann. Es geht darum, dass unsere Arbeit glaubwürdiger wird, wenn wir uns nicht hinter ihr verstecken. Wir müssen mehr Gesicht zeigen, um Vertrauen zu schaffen.
Wie diese Sichtbarkeit am Ende aussieht, ist von Medium zu Medium natürlich unterschiedlich. Aber je mehr Anknüpfungspunkte, Einblicke in unsere Recherchen und Möglichkeiten der Ansprechbarkeit wir bieten, desto stärker haben wir in eine Vertrauensbeziehung mit dem Publikum investiert. Und mit ihr haben wir eine gute Basis, um Journalismus für die Zukunft weiterzuentwickeln.
Alexander von Streit ist Journalist und Mitgründer des Onlinemagazins Krautreporter. Gemeinsam mit Stephan Weichert leitet er das VOCER Institut für Digitale Resilienz, das Bildungsprogramme und systemische Beratung anbietet. (mehr zu Alexander von Streit)