KI lässt sich nicht aussitzen
Von Alexander von Streit
Wenn neue Technologien in unser Leben drängen, fühlt sich das nicht automatisch gut an. Bei Künstlicher Intelligenz zumindest ist es da, das Unbehagen zwischen Faszination für die neuen Möglichkeiten und dem dystopischen Potenzial, das sich damit eröffnet. Wenn wir mit Chat-GPT und ähnlichen KI-Programmen plötzlich Maschinen dabei zusehen können, wie sie selbstständig Texte schreiben, Bilder produzieren oder Musikstücke komponieren. Nach dem ersten Wow-Gefühl stellt sich schnell die Frage: Was wird das mit uns machen?
In der Medienbranche trifft diese Frage auf ein generelles Problem: Das Verhältnis von Journalismus zu technologischem Wandel ist eher kompliziert. Zwar haben Technologien für die Produktion und Verbreitung journalistischer Inhalte schon immer eine große Rolle gespielt – Druckmaschinen zum Beispiel, Funk natürlich, und ja: Computer. Doch nicht zuletzt der Umgang mit der digitalen Transformation zeigt, dass die Medienbranche technologischer Entwicklung nur widerwillig und sehr langsam folgt. Warum auch? Zumindest solange das traditionelle Geschäftsmodell noch funktioniert und die Technologie keinen größeren Einfluss auf die Gesellschaft hat.
Technologische Entwicklung treibt die Medienbranche vor sich her
Doch wie radikal sich das ändern kann, haben wir nicht nur einmal erlebt. Klar, das Internet hat etwas gebraucht, um einiges infrage zu stellen. Der auf das iPhone folgende Siegeszug der mobilen Endgeräte begann vor gerade mal 15 Jahren. Und die daraus resultierende Dominanz von Social-Media-Kanälen verändert zudem das Mediennutzungsverhalten so nachhaltig, dass Journalismus seinen Platz im Informationsmix immer schwerer behaupten kann.
In all diesen Fällen zeigt sich ein Muster: Die technologische Entwicklung treibt die Medienbranche vor sich her. Geschäftsmodelle werden so lange wie möglich gegen die Entwicklung verteidigt und erst dann reaktiv angepasst, wenn der Druck so groß wird, dass es fast schon zu spät ist. Abgesehen davon, dass Innovation bei diesem Verhalten auf der Strecke bleibt, schadet es der Zukunftsfähigkeit des Journalismus. Und dass planloses Management in der Digitalisierung weitreichende Folgen hat, können wir in diesen Tagen bei der Zerschlagung von Gruner + Jahr beobachten.
Unsere Rolle als Journalist:innen wird sich verändern
Daraus sollten wir lernen. Denn das disruptive Potenzial der Künstlichen Intelligenz stellt uns vor die nächste große Herausforderung. Eine, die sich erneut nicht aussitzen lässt, denn KI wird die Gesellschaft ohne Zweifel nachhaltig verändern. Also sollten wir überlegen, wie wir wegkommen vom Reagieren und wie wir stattdessen proaktiv die Zukunft des Journalismus mit dieser Technologie mitgestalten können. Wie wir dazu passende Geschäftsmodelle aufbauen können. Und wir müssen darüber reden, wie sich unsere Rolle als Journalist:innen dadurch verändern wird. Das wird entscheidend sein für die digitale Resilienz in dieser vermutlich immer rasanteren Entwicklung.
Alexander von Streit ist Journalist und Mitgründer des Onlinemagazins Krautreporter. Gemeinsam mit Stephan Weichert leitet er das VOCER Institut für Digitale Resilienz, das Bildungsprogramme und systemische Beratung anbietet. (mehr zu Alexander von Streit)