Journalismus ist ein Gespräch
Von Alexander von Streit
Es könnte der Anfang von etwas Großem sein. Dieses Momentum, wenn Politiker*innen in Wahlkampfzeiten auf der Straße stehen und vorbeigehende Menschen in ein Gespräch verwickeln. Vielleicht erzählen diese ihnen dann sogar, was sie gerade bewegt oder was sie von der Politik erwarten. Mit etwas Arbeit könnte das zu einem intensiven Dialog werden und daraus eine enge Publikumsbeziehung entstehen, was ja in einer Demokratie nicht gerade unwichtig ist. Nur: Das passiert selten.
Man muss leider auch sagen: Vor genau dieser Herausforderung stehen wir Journalist*innen ebenfalls.
Eigentlich wissen wir das schon länger. Das alte Sender-Empfänger-Prinzip hat durch die Digitalisierung nicht nur unzählige Rückkanäle bekommen, sondern ist als Grundlage unseres Berufs gar nicht mehr zu gebrauchen. Ganz abgesehen davon, dass die veränderte Mediennutzung dazu führt, dass die alte Medienwelt nicht nur mit ihrem inhaltlichen Deutungsanspruch unter Druck geraten ist, sondern eine gewaltige ökonomische Krise durchläuft.
Publikumsbeziehung ist ein Langstreckenlauf
Wie gut wir das alles bewältigen können, hängt stark damit zusammen, wie wir mit Menschen in den Dialog treten – und wie ernst es uns damit ist. Denn Kommunikation ist zentraler Bestandteil einer digitalen Resilienz, die sowohl Medienhäuser als auch die darin arbeitenden Menschen als Antwort auf die Herausforderungen der Digitalisierung aufbauen müssen. Der Schlüssel dafür liegt in authentischen Publikumsbeziehungen.
Die schlechte Nachricht: Das ist kein Sprint, sondern Langstrecke. Die gute: Journalismus kann dabei nur gewinnen. Wenn sich Medienmarken und ihre Macher*innen dafür öffnen, dann wird aus ihm im besten Fall eine Art Club. Eine Community, in der durch Kommunikation auf Augenhöhe ein mitgestaltbarer Journalismus möglich wird. Das ist manchmal anstrengend, fast immer aber bereichernd. Vor allem schafft es die wichtigste Währung: Vertrauen. Und damit auch Loyalität in Zeiten der Krise.
Dialog stärkt den Journalismus nachhaltig
Das funktioniert übrigens wirklich: Das von mir mitgegründete Onlinemagazin Krautreporter entstand aus dem Bedürfnis heraus, langfristig belastbare Strukturen zu schaffen – mit einem Journalismus, der sich als permanentes Gemeinschaftsprojekt versteht. Und als Genossenschaft spiegelt Krautreporter diese Idee auch in der Unternehmensform wider. Dass es Krautreporter sieben Jahre nach seiner Gründung immer noch gibt, ist nur dieser sehr besonderen Beziehung mit seinen Mitgliedern geschuldet.
Wie also anfangen? Wie eng ist die Beziehung zu meinem Publikum wirklich?, ist die erste Frage, der man sich stellen sollte. Die zweite: Wie kann ich meine Kommunikation mit dem Publikum verbessern? Danach kann man dann an dem Punkt weitermachen, an dem die meisten Politiker*innen nach dem Wahlkampf schon wieder aufhören: aus dem kurzen Gespräch einen nachhaltigen Dialog werden lassen.
Alexander von Streit ist Journalist und Mitgründer des Onlinemagazins Krautreporter. Gemeinsam mit Leif Kramp und Stephan Weichert hat er 2021 das Vocer Institut für Digitale Resilienz gegründet.