Social-Media-Sog
Die Studienergebnisse legen nahe, dass es vielen Menschen in Deutschland offenbar schwerfällt, sich der Anziehungskraft der sozialen Netzwerke zu entziehen. Die Angst etwas zu verpassen (FOMO = Fear of Missing out), ist ein verbreitetes Phänomen gerade in Krisen- und Kriegszeiten, das nicht selten eine Nutzungsspirale schlechter Nachrichten im Digitalen („Doomscrolling“) in Gang setzt.
Fake-News-Fog
Je häufiger der Begriff der „Fake News“ öffentlich diskutiert wird, desto eher wird deren Verhältnismäßigkeit vernebelt: Immer mehr Menschen nehmen an, dass alle digitalen Medienangebote für Desinformation anfällig sind und sich diese in digitalen Medien rasant und massenhaft verbreiten – was einen veritablen Reputationsschaden und einen Glaubwürdigkeitsverlust für professionelle Anbieter zur Folge haben kann.
False-Online-Balance
In den sozialen Netzwerken kommt tendenziell eine laute extrovertierte Minderheit zu Wort, während die Mehrheit der Nutzenden schweigt; diese Schieflage in der Online-Kommunikation hat unmittelbaren Einfluss auf die Debattenkultur und birgt das Risiko einer falsch ausbalancierten öffentlichen Meinungsbildung, derer sich – leider – die journalistischen Medien bedienen, wenn sie in ihrer Berichterstattung Themen oder „Stimmungsbilder“ aus dem Internet einfangen wollen.
News-Burnout
Die hohe Nutzungsdauer und Nutzungsfrequenz digitaler Endgeräte in Krisenzeiten führt zu emotionalen Abnutzungserscheinungen und Erschöpfungssymptomen – mit direkten Folgen für die digitale Nachrichtenrezeption: Gerade für Vielfachnutzer:innen steigt durch den exorbitanten Mediengebrauch die Verwechslungsgefahr beliebiger Inhalte bzw. sinkt die Sichtbarkeit von qualitativ hochwertigen Informationen.
Digitale Depression
Aus einer konsequenten medialen Einkapselung kann kommunikative und soziale Isolation resultieren, wenn sich sämtlicher Austausch ausschließlich auf digitale Medien stützt und die Anbindung an den Familien- oder Freundeskreis keine Option darstellt. Unsere qualitativen Studienergebnisse deuten darauf hin, dass der wenig empathische und teils aggressive Ton in den sozialen Netzwerken dem Einvernehmen nach bei Einzelnen, aber nicht wenigen im Extremfall zu depressiven Verstimmungen oder Angst- und Belastungsstörungen führt.
Bevormundungs-Dilemma
Die Studienergebnisse belegen, dass sich viele Deutsche mehr lösungsorientierte Berichterstattung wünschen, jedoch lehnt es die Mehrheit ab, durch professionelle Medienangebote „an die Hand genommen“ zu werden. Dieses professionelle Dilemma einer Ratgebendenrolle bei gleichzeitig potenzieller Bevormundung der Bevölkerung birgt vor allem für Journalist:innen das Risiko eines Vertrauensbruchs, indem Nutzende den Eindruck gewinnen, im digitalen Journalismus werde ihnen etwas „vorgekaut“ oder moralisch vorgeschrieben (bspw. Maskenpflicht und Lockdowns in der Corona-Pandemie, Waffenlieferungen in die Ukraine etc.).
Digitale Hass-Kultur
Hass im Netz wird in Krisen- und Kriegszeiten von den Deutschen als gravierendes Problem erkannt und in seiner Wirkung klar benannt, allerdings sind sie angesichts fehlender konkreter Handreichungen unsicher, wie sie der Verwahrlosung digitaler Diskurse begegnen sollen bzw. ob und inwiefern die Steigerung der individuellen Widerstandsfähigkeit in öffentlichen Debatten – Stichwort Gegenrede – in der Verantwortung von Konzernen, Regulierung und Medienpolitik liegt.
Emo-Faktor
Ein weiterer Grund für die gezielte Schwächung und Ent-Demokratisierung des digitalen Gemeinwesens ist in den – häufig kurz aufeinander folgenden – emotionalen Scheingefechten zu suchen, die sachorientierten Argumentetransfer nahezu unmöglich machen: Die hohe Dichte an Stimmungen, Spekulationen und Beleidigungen setzt vielen Nutzenden zu, die im Netz einen Ort der Spekulation und Propaganda sehen. Es ist aber auch für das professionelle News-Geschäft toxisch, wenn faktenferne Emotionen das kommunikative Geschehen beherrschen.
Gesundheits-Polarisierung
Im Gesundheits- und Wissenschaftsbereich ist die Anfälligkeit der Online-Kommunikation für Falschinformation und Verunglimpfungen besonders krass. Häufig werden in den Netz-Debatten über medizin- und gesundheitsbezogenen Informationen digitale Gräben zwischen Nutzenden sichtbar, die in hohem Maße die politische und soziale Polarisierung verschärfen, wenn diese nicht von professionellen Medien angemessen moderiert und deeskaliert werden.
Demokratie-Bremse
Im Strukturwandel digitaler Öffentlichkeit zeigen sich in Zeiten der Polykrisen besonders die Ambiguitäten neuer medialer Realitäten und deren Eigendynamiken (extremistische Mobilisierung, soziale Polarisierung, Kriminalisierung) im Einklang mit Demokratie-Resilienz. Wenn das Miteinander im Digitalen nicht gefestigt wird, droht in Phasen notwendiger Solidarität ein massiver Glaubwürdigkeitsverlust in das Krisen- und Katstrophenmanagement demokratischer Institutionen