Miteinander reden – wie funktioniert das in Krisenzeiten?
Wir haben es ausprobiert und diese sechs Grundregeln herausgefunden
Wie funktioniert guter Dialog in Krisenzeiten? Das VOCER Institut für Digitale Resilienz hat sich dieser gesellschaftlichen Kardinalfrage angenommen und sechs allgemeingültige Erkenntnisse formuliert, die das Geheimnis konstruktiver Dialoge entschlüsseln helfen.
Von Stephan Weichert
Schon vor Erfindung des Internets war die Menschheit stetig darum bemüht, konstruktiven Dialog zu fördern: Eine gute Verständigung kann zentral sein, um Krisen abzumildern, Kriege zu beenden und Konflikte zu lösen. Die Digitalisierung hat die Schwerpunktsetzung auf die Lösungsorientierung in der öffentlichen Kommunikation erschwert. Mit den sozialen Medien und den dahinterstehenden Unternehmen aus den USA und China sind in den vergangenen 20 Jahren außerdem mächtige Player entstanden, die mit ihren Agenden schamlos Einfluss nehmen auf Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft.
Friktionen im digitalen Diskurs
In vielfacher Hinsicht ist die politische Meinungs- und Willensbildung in unschöne Abhängigkeiten wirtschaftlicher und politischer Interessen geraten, die einerseits die Diskursqualität, anderseits die öffentliche Deutungshoheit dominieren, und das nur äußerst selten zum Wohle der Demokratie.
Mein Kollege Leif Kramp und ich haben vor einigen Jahren im Auftrag der nordrhein-westfälischen Landesmedienanstalt LfM den Hass im Netz untersucht und inwiefern journalistische Redaktionen in Deutschland damit konfrontiert sind. Es ging in unserer Studie darum herauszufinden, wie und warum sich der Zorn vor allem in digitalen sozialen Netzwerken entlädt und wie sich diesem Hass auf professionellem Wege begegnen, sich sogar bestenfalls steuern lässt. Erkenntnisse aus unserer Forschung besagen, dass Friktionen im digitalen Diskurs immer dann vorkommen, wenn Menschen
- Angst haben,
- sich sorgen,
- verunsichert sind,
- überfordert sind oder
- das Gefühl haben, die Kontrolle zu verlieren.
Diese menschlichen Verhaltensmuster machen sich vor allem in krisenschweren Zeiten bemerkbar, die von sozialen, gesundheitlichen oder politischen Risiken begleitet sind, wenn also die Menschen fürchten, dass es ihnen an den Kragen gehen könnte. Dann entwickeln sie Vorurteile, argumentieren unsachlich, werden schnell aggressiv und teilen gegen andere aus oder kapseln sich schlichtweg ab.
Brücken für Dialoge zwischen Ost und West
Unser VOCER Institut für Digitale Resilienz versucht, dafür ganzheitliche Lösungen zu entwickeln. Wir machen uns neben der Stärkung von Mediensouveränität und Tipps zur digitalen Entrümpelung für die Bekämpfung von Fake News und Desinformation stark. Und setzen uns dafür ein, dass der öffentliche Diskurs widerstandsfähiger, resilienter wird. Wir verstehen uns als unabhängiger Think Tank der Demokratie- und Dialogförderung und plädieren für eine gerechte, vielfältige Ausgestaltung der digitalen Gesellschaft, die nicht kommerziellen Interessen folgt, sondern dem Gemeinwohl dient.
Gerade unruhige Zeiten – der Krieg in der Ukraine, die Veränderung des Klimas, die Energiekrise und weltweit um sich greifende Pandemien machen vielen Menschen Angst. Aus dieser Angst resultieren Unsicherheit und Wut: auf die Politik, auf die Medien oder auf Menschen, die anders denken oder aussehen als man selbst. Wir sind überzeugt davon, dass dieser Megatrend zur Polarisierung uns allen schadet und unsere Demokratie insgesamt gefährdet. Um herauszufinden, wie konstruktiver Dialog in ländlichen Räumen rekultiviert werden kann, haben wir in Mustin bei Ratzeburg (Schleswig-Holstein) die DIALODGE mitgegründet, einen Dialog- und Zukunftsort für soziale Innovationen, der Brücken für zivilgesellschaftliche Dialoge zwischen Ost und West ergründen und lokale Öffentlichkeit stärken soll.
In das Dialog- und Seminarhaus laden wir Medien- und Kulturschaffende, Engagierte aus Ehrenamt, Gemeinwesen und Bildung zu regelmäßig stattfindenden VOCER Dialog- und Demokratie-Werkstätten ein. Unter professioneller Anleitung und getreu des Leitmottos „Miteinander reden“ entwickeln und testen wir dort ab sofort Ideen für innovative Dialogformate zur Verringerung der gesellschaftlichen Polarisierung in Krisen, die auch einer breiteren Öffentlichkeit wichtige Erkenntnisse liefern sollen.
Toolbox für konstruktiven Dialog und Demokratie-Resilienz
Mit Propaganda, Hass, Hetze und Fake News wird schon lange versucht, uns zu manipulieren, uns wütend oder noch wütender zu machen und unser Vertrauen in die Demokratie zu beschädigen. Zur Stärkung des Gemeinweisens arbeiten wir daher mit engagierten Menschen in der DIALODGE an einer gemeinsamen „Toolbox für konstruktiven Dialog und Demokratie-Resilienz“. Unser Leitgedanke ist es, uns nach den schwierigen Jahren der Corona-Pandemie wieder zu disziplinären, in einen konstruktiven Austausch zu treten und miteinander zu reden – uns über das auszutauschen, was uns bewegt, gemeinsam nach Lösungen suchen, um Demokratie auch in Krisenphasen stark zu machen.
Ein weiterer Leitgedanke der DIALODGE ist es, dass wir ein Defizit darin erkennen, dass über die Belebung des demokratischen Dialogs oft von den Kanzeln in den Haupt- und Großstädten herab gepredigt wird und noch viel zu selten von dort aus, wo seine Förderung derzeit am notwendigsten erscheint: an der Basis, am Rande der Gesellschaft, vor allem in ländlichen Regionen, also dort, wo die meisten Menschen in Deutschland leben und der Alltag andere, bittere Realitäten hervorbringt.
Unsere wichtigste Erkenntnis vorab: Wir stehen den aktuellen Herausforderungen nicht hilflos gegenüber, sondern können selbst nach neuen Modellen des sozialen Austauschs suchen und diese in die Tat umsetzen. Mit diesem Selbstwirksamkeitsbewusstsein im Gepäck ist es unser Anspruch, Dialoginnovationen zu entwickeln, die dazu beitragen, das Vertrauen in Journalismus, Politik und Demokratie zu stärken. Hierfür arbeiten wir in den VOCER Dialog- und Demokratiewerkstätten bisher mit der Bundeszentrale für politische Bildung und der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung zusammen: Als eines von 100 bundesweit geförderten Projektvorhaben haben wir mit der DIALODGE am Programm „Miteinander reden“ teilgenommen, einer viel beachteten Förder- und Qualifizierungsmaßnahme der politischen Bildung, die Projekte in ländlichen Räumen aus ganz Deutschland zusammenbringt, die wertschätzenden Dialog, demokratische Aushandlungsprozesse und Partizipation vor Ort befördern.
Erkenntnisse aus den VOCER Dialog- und Demokratie-Workshops
Unser Ziel der VOCER Dialog- und Demokratie-Workshops ist es, neue Dialogformate – digital oder analog – zu entwickeln, die dazu beitragen, die Menschen wieder stärker zusammenrücken zu lassen. Davon sollen – idealerweise – die Bürgerinnen und Bürger ebenso wie der Journalismus (Zeitungen, Radio, Fernsehen und natürlich Online) profitieren, aber auch Vereine, Ehrenamt sowie Kultur- und Bildungseinrichtungen und nicht zuletzt die Kommunalpolitik und das Gemeinwesen. In den Workshops entwickeln unsere Teilnehmenden daher Ideen zu den folgenden Herausforderungen:
- Wie kann ein respektvoller und lösungsorientierter Austausch zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen gelingen?
- Wie können wir sicherstellen, dass alle Stimmen gehört werden und niemand ausgegrenzt wird
- Wie können wir ein gesellschaftliches Zusammengehörigkeitsgefühl im ländlichen Raum auch auf digitale Kanäle erweitern?
Die Erkenntnisse, die sich aus unseren Dialog- und Demokratie-Workshops – bisher – ergeben haben, sind weder bahnbrechend noch restlos neu. Sie vermitteln jedoch in ihrer ganzheitlichen Betrachtung eine Ahnung davon, wie Dialogführung in der digitalen Gesellschaft funktioniert und wie wir digitale Technologien nutzen, um Dialogkultur in unserer Gesellschaft zu verbessern – und wofür besser nicht.
Erste Erkenntnis: Der konstruktive Dialogort
Um gute Gespräche zu fördern, müssen wir zuerst definieren, wo wir miteinander reden – es geht also um den Gesprächsrahmen. In unserem Falle ist es die naturnahe und nahezu digitalfreie Erfahrung in der DIALODGE, um dem Anspruch einer lösungsorientierten konstruktiven Kommunikation gerecht zu werden. Das äußere Setting und die Umgebung eines Austauschs haben maßgeblichen Einfluss auf Atmosphäre und Güte eines Gesprächs. Und folglich auch darauf, wie miteinander gesprochen wird. Kein Wunder, dass die Videomarathons über Zoom, Teams und WebEx in der immergleichen tristen Umgebung von Bildschirmkacheln auf Dauer das Gemüt strapazieren.
Die erste Erkenntnis unserer Workshops lautet: In einer perspektivenreichen Umgebung lässt sich perspektivenreicher miteinander diskutieren. Anders, als in stickigen Tagungshotels oder überfüllten Co-Working-Spaces in der Großstadt gehen dort, wo sich Menschen gerne aufhalten und wohlfühlen, konfliktreiche Themen leichter von der Hand, finden sich schneller Lösungen, werden Gemeinschaftsgefühl und unsere soziale Resilienz insgesamt gestärkt.
Zielführend kann es unserer Erfahrung nach sein, sich an einem solchen Dialogort – etwa in der Natur – bewusst für eine digitale Auszeit zu entscheiden und für einige Stunden alle Smartphones und Laptops zur Seite zu legen. Damit können Unterbrechungen, Störmomente und unnötige Ablenkungen auf ein Minimum reduziert werden, um von Angesicht zu Angesicht, von Mensch zu Mensch ins Gespräch zu kommen.
Zweite Erkenntnis: Gemeinsam anpacken
Im Miteinander des aktiven Tuns nähern sich Menschen an, auch die mit unterschiedlichen Positionen. Wir haben festgestellt, dass ein konstruktiver Dialog nicht nur dann gelingt, wenn wir miteinander ins Gespräch gehen, sondern auch, wenn wir uns situationskonform einbringen: Eine pragmatische Herausforderung, eine gemeinsame Aufgabe, eine Beziehungserfahrung im Team helfen ungemein, den Fokus auf den Moment des gemeinsamen Schaffens zu lenken und Meinungsverschiedenheiten in den Hintergrund treten zu lassen. Eine Aktivität wie der Auf- und Abbau eines Festzeltes oder die gemeinsame Organisation einer Veranstaltung, das gegenseitige Nehmen und Geben zum Wohle einer gemeinschaftlichen Sache, ist ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor, um Differenzen zu überwinden und Menschen anders kennenzulernen. Dabei spielt eine zentrale Rolle, anderen Hilfe anzubieten, aber auch Hilfe von anderen annehmen zu können.
Die Digitalität unterstützt derlei nonverbale Kommunikation kaum, sie unterbindet sie teilweise sogar, senkt teilweise die Hemmschwellen für persönliche Angriffe und Beleidigungen. Digitale Medien erschweren generell die Sensibilisierung für Zwischentöne und Graustufen, weil sie die Reflexe einer lauten und meinungsstarken Minderheit bedienen, statt eine konsensorientierte und konfliktfreie Argumentationsebene herzustellen.
Dritte Erkenntnis: Spielend lernen
Lernen ist im Zusammenhang mit Dialog- und Demokratieförderung ein universeller Faktor – und eine Chance. Wir können diesen Lernaspekt nach unseren jahrzehntelangen Erfahrungen in der Aus- und Weiterbildung um die Facette des Spielens erweitern. Unsere sozialen Kompetenzen lassen sich am besten schulen und ausbauen, wenn wir das, woran wir wachsen können, spielerisch erfahren. Bedeutsam ist das vor allem in schwierigen Lebensphasen wie in gesellschaftlichen, beruflichen oder privaten Krisen: In der Situation des Spielens lassen sich die Sorgen und Ängste schnell vergessen, die Konzentration auf das Ergebnis eines Dialogs rückt in den Vordergrund. Auch werden Konflikte oder krisenhafte Zäsuren anders bewertet, wenn wir sie mit den Augen eines spielenden Kindes betrachten. Hierarchien und Machtverhältnisse verlieren an Bedeutung.
In unseren Workshops arbeiten wir mit unzähligen – auch digitalen – didaktischen Herangehensweisen, für den Dialog-Workshop haben wir uns aufgrund der physischen Begegnung aller Teilnehmenden diesmal für die Methode Lego Serious Play entschieden, um mit den Teilnehmenden innovative Modelle der Dialogförderung zu erarbeiten – wahlweise zum Thema Gendering, Energiekrise, Ukraine-Krieg, Gentrifizierung oder digitale Daseinsvorsorge. Die Ergebnisse waren verblüffend, der Workshop für die Teilnehmenden kurzweilig und stellenweise sehr humorvoll. Wichtig ist, dass, unserer Erfahrung nach, der kreative Austausch das dialogische Verständnis hierdurch stärker gefördert werden als in konventionellen Lernumgebungen im Stile eines Klassenraums.
Technologisch gesprochen lässt sich der Ideenfindungsprozess digital stützen und unterstützen, wenn daran gemeinsam weitergearbeitet werden soll und – das ist Voraussetzung – zuvor eine persönliche Vertrauensbasis entstehen konnte.
Vierte Erkenntnis: Die Grundlagen kennen
Wir wissen aus unserer Erfahrung, dass Kommunikation eine gemeinsame Wissensbasis braucht, um vernünftig und besonnen miteinander sprechen zu können. Faktenprüfung und Quellenkritik gehören zu unserem täglich‘ Brot. Als Medienwissenschaftler und Journalisten wissen wir: Nur wenn wir uns auf dieselben Fakten beziehen können, gibt es eine gemeinsame Gesprächsgrundlage und einen konstruktiven Argumentetransfer. Bei hitzigen Auseinandersetzungen wie der Flüchtlingsfrage, dem Gendering oder der Beteiligung Deutschlands am Kriegsgeschehen zeigt sich immer wieder, dass sich Menschen selten aus ihrer argumentativen Komfortzone herauswagen. Sie wollen mit gefährlichem Halbwissen punkten oder werfen à la Donald Trump schlicht mit Falschinformationen um sich.
Um zu verhindern, dass solche Gesprächspartner ihre Standpunkte mit Inbrunst verteidigen, ohne auf eine gesicherte Faktenlage zurückzugreifen, müssen zunächst alle relevanten Informationen auf den Tisch. Wir können auf Meinungen Anderer guten Gewissens nur dann eingehen und deren Perspektiven respektieren, wenn diese Voraussetzung gegeben ist. Nur so können wir unsere eigenen Ansichten überdenken, nur auf diese Weise wird Kommunikation ins Konstruktive gelenkt.
Das digitale Zeitalter hat uns hinsichtlich des manipulativen Charakters von Falsch- und Desinformationen (Fake News) eine Menge neuer Risiken beschert. Sie haben zum einen durch die sozialen Medien unzählige Kanäle der Verbreitung gefunden und erreichen Nutzende vor allem dort. Zum anderen potenziert sich in neueren Entwicklungen der Künstlichen Intelligenz (KI) das Gefahrenpotenzial für die Demokratie, indem auch die Herstellung solcher Informationen in Text, Bild und Audio sogar für Laien sofort zugänglich und massentauglich anwendbar wird.
Fünfte Erkenntnis: Aktives Zuhören
Die häufigste Hürde für gelingende Kommunikation ist das verbreitete Desinteresse am Gegenüber. Vorgefertigte Meinungen über andere sind bekanntlich Gift für guten Dialog, sie sind das Grundproblem so genannter Filterblasen und Echokammern, die vermeintlich Andersdenkende mit Intoleranz oder Ausgrenzung, mitunter Schlimmerem strafen. Nur durch die Einordnung von persönlichen Hintergründen können wir eine solide Grundlage für konstruktiven Dialog schaffen und Fehleinschätzungen, aber auch Vorurteilen entgegenwirken.
Voraussetzung ist, dem Gesprächspartner empathisch zuzuhören. Ihre oder seine „Geschichte“ zu erfragen, das Stimmungsbild zu eruieren und herausfinden, was den Menschen ausmacht und was sie bewegt, ist ein Schlüsselprinzip konstruktiven Dialogs. Das aktive Zuhören hilft, die Wortwahl des anderen und seine Tonlage besser zu erfassen und einzuordnen. Wenig hilfreich ist es, in einer dialogischen Situation keine Fragen zu stellen. Erst wenn ich beginne zu verstehen, wer mir eigentlich gegenübersitzt, kann ich ein Gefühl dafür entwickeln, wie die Dinge wörtlich gemeint sind.
Digitale Technologien blenden diesen empathischen Umgang im sozialen Miteinander weithin aus, stattdessen behelfen wir uns mit ungelenken Emojis. Wenn es unbedingt digital sein soll, dann im Zweifelsfall bitte mit individueller Selbstbreschreibung der persönlichen Kommunikationspräferenzen und möglicher ‚No Gos‘.
Sechste Erkenntnis: Sei du selbst
Das Gegenstück des aktiven Zuhörens ist das aktive Preisgeben: Dialog lebt von der Ehrlichkeit, Authentizität und Offenheit auf sich selbst bezogen. Oftmals legen wir uns eine Maske zu, um anderen nicht zeigen zu müssen, wer wir wirklich sind. Der Grund: Wir haben Angst, verletzt zu werden, wollen keine Schwächen zeigen. Es zeigt sich vor allem in konfliktbeladenen Gesprächen, dass die Neigung zur Aggression oder Unaufrichtigkeit größer wird, je mehr wir uns bedrängt oder bloßgestellt fühlen.
Für guten Dialog ist es wichtig, den Spieß umzudrehen und proaktiv Farbe zu bekennen: Sich nicht verstellen, anderen sein wahres Gesicht, die eigene Motivlage oder sein kommunikatives Wesen anzuvertrauen, kann im Idealfall bedeuten, dass dieses Vertrauen auch erwidert wird – wer bin ich und wenn ja, wie viele? Selbst in festgefahrenen Situationen zeigt sich, dass ein Gespräch über die eigenen Schwächen durchaus als Stärke gedeutet und mit Wertschätzung belohnt wird.
Im Digitalen hat auch diese Erkenntnis ihre Tücken, da wir schnell verunsichert sind, ob Vertrauliches an Dritte weitergeleitet werden könnte. Die Empfehlung ist daher, in digitalen Medien nichts Persönliches zu teilen, das missverstanden werden könnte, sondern stattdessen persönlich ins Gespräch zu gehen, am besten in physischer Anwesenheit.
Gemeinsam positive Veränderungen bewirken
Jeder Dialog ist eine Chance, voneinander zu lernen und als Gesellschaft voranzukommen. Offen-empathische und gewaltfreie Kommunikation erfordert jedoch Zeit, Geduld und die Bereitschaft, zuzuhören und sich in andere hineinzuversetzen. Erst wenn wir diese sechs Regeln beherzigen, können wir einen Rahmen schaffen, in dem respektvoller Austausch stattfindet.
Wir können aus diesen sechs Prinzipien ableiten, dass eine konstruktive Dialogkultur gelingen kann, wenn wir einige Grundregeln beachten, andere Menschen stets respektieren und uns gegenseitig unsere Ängste und Unsicherheiten nehmen. Eine generelle Empfehlung „Weg vom Digitalen, hin zum Analogen“ lässt sich daraus nicht ablesen. Aber die gesellschaftlichen Umstände lassen vermuten, dass der Kern guten Dialogs, an dessen Ende positive Veränderungen stehen, vor allem in der persönlichen Begegnung gestärkt werden muss.
Neugierde wecken, Fragen stellen, aktiv zuhören, ehrlich und wertschätzend kommunizieren – all das gelingt im persönlichen Miteinander allemal besser als über digitale Filter, die opaken Kommunikationsregeln gehorchen und – siehe oben – vor allem wirtschaftlichen oder politischen Interessen dienen.
Stephan Weichert ist Medienwissenschaftler und Innovationsberater. Gemeinsam mit Alexander von Streit leitet er das VOCER Institut für Digitale Resilienz, das Bildungsprogramme und systemische Beratung anbietet. (mehr zu Stephan Weichert)