„So lang die Branche sich nicht in sich einig ist, was sie braucht, kommt gar keine Presseförderung zustande“
3 Fragen, 3 Antworten: Lina Timm, Geschäftsführerin des Medialab Bayern
Was kann gemeinnütziger oder gemeinwohlorientierter Journalismus leisten? Drei Fragen an Lina Timm, Geschäftsführerin des Medialab Bayern.
An welchen Stellen könnten Sie aus der Haut fahren, wenn Sie sich die Argumente für und wider eine Presseförderung in Deutschland anhören?
Ich finde vor allem den Streit innerhalb der Branche vollkommen überflüssig. Die „alten Printverleger“ wollen die Zustellung gefördert haben und können sich damit darüber hinweg retten, dass ihre digitalen Produkte einfach nicht genügend Menschen erreichen – und vielleicht auch nicht gut und passend genug sind. Ein User Research bei uns im Media Lab Bayern hat einmal ergeben, dass sehr viele Senioren bereits digital unterwegs sind, das ist überhaupt kein Argument mehr für Printprodukte. Und die Digitalverleger haben erstmal alles gestoppt, damit sie auch ein Stück vom Kuchen abbekommen. So lang die Branche sich nicht in sich einig ist, was sie braucht, kommt gar keine Presseförderung zustande. Außerdem ist schon der Begriff grenzwertig. Was ist denn „Presse“ heutzutage eigentlich?
Es sollte eine Journalismus- oder Innovationsförderung sein, alles andere ist antiquiert.
Wo sehen Sie den aktuell größten Handlungsbedarf, um die Situation zu verbessern?
Es muss eine klare Vision geben, was eigentlich erreicht werden soll. Für mich ist das: So vielen Menschen wie möglich den Zugang zu wahren Nachrichten und Informationen zu ermöglichen. Das kann definitiv digital passieren. Das einzige, was sinnvoll in die Zukunft gerichtet ist, ist hier auf digitale Produkte zu setzen. Hier muss eine Förderung ansetzen – zum Beispiel mit Workshops zu Formatentwicklung und R&D im Journalismus, wie diese digitalen Produkte aussehen könnten. Der Bedarf dafür ist riesig und diese Förderung käme direkt besserem Journalismus und besserer Information der Bevölkerung zugute.
Auch wenn das Leben kein Wunschkonzert ist: Was würden Sie sich für die Entwicklung des Journalismus für die kommenden Jahre am meisten wünschen?
Journalist:innen müssen sich viel stärker als bislang als Servicekräfte verstehen. Ihr Job ist es, Nachrichten zu recherchieren und so aufzubereiten, dass alle Gruppen in der Gesellschaft sie verstehen. Dafür muss ich unterschiedliche Menüs kochen, Themen für viele Zielgruppen und auf vielen Kanälen aufbereiten – und zwar immer mit dem Blick darauf, ob es den Nutzer:innen wirklich geschmeckt hat. Das heißt nicht, dass wir nur noch Katzenvideos produzieren sollen. Aber Nachrichten müssen so aufbereitet werden, dass sie die Menschen nicht abschrecken, sich zu informieren, weil sie zu kompliziert, zu langweilig oder zu verstörend sind.
Lina Timm arbeitet als Geschäftsführerin der Medien.Bayern GmbH daran, mehr Innovation in die Medienbranche zu bringen. 2015 hat sie das Media Lab Bayern als Startup- und Innovation Hub gegründet, das heute wie die Medientage München, Start into Media oder Games/Bavaria Teil des Innovations-Ökosystems Medien.Bayern ist.
Dieses Kurzinterview ist ein Auszug aus dem „Whitepaper Non-Profit-Journalismus“ von Leif Kramp und Stephan Weichert, das Handreichungen für Medien, Politik und Journalismus bietet. Es erscheint im Oktober 2023 bei der Otto-Brenner-Stiftung und wird dort sowohl in gedruckter als auch in digitaler Fassung kostenfrei erhältlich sein.