„Die Öffentlichkeit sieht dem Journalismus beim Sterben zu“
3 Fragen, 3 Antworten: Jens Rehländer, Kommunikationschef der VolkswagenStiftung
Was kann gemeinnütziger oder gemeinwohlorientierter Journalismus leisten? Und wie lässt er sich finanzieren? Drei Fragen an Jens Rehländer, Kommunikationschef der VolkswagenStiftung.
Woran krankt die Förderkultur für Journalismus in Deutschland derzeit am meisten?
Die kritische Öffentlichkeit – Politik, Wirtschaft, Gemeinwesen – sieht dem unabhängigen Journalismus beim Sterben zu. Mit Bedauern zwar, was ständig beteuert wird, aber trotzdem teilnahmslos. Die Politik, die Fördertöpfe eröffnen könnte, erklärt sich für nicht zuständig. Die innovationsresistenten Aufsichtsgremien für die Öffentlich-Rechtlichen wagen nicht mal, ein Prozent aus dem Gebührentopf umzuwidmen. Und der Rest vermag sich offenbar gar nicht vorzustellen, dass die Erosion im Journalismus die Erosion unseres demokratischen Gesellschaftsmodells nach sich zieht.
Wie kann und sollte der Stiftungssektor die journalistische Praxis konkret stützen und unterstützen?
Stiftungen können den Journalismus nicht retten. Dafür reichen ihre Fördermittel nicht mal ansatzweise. Aber sie können Zeichen setzen und andere, finanzkräftige Akteursgruppen – etwa Politik und Wirtschaft – als Lobbygruppe beeinflussen – zugunsten nachhaltiger Journalismusförderung. Wer tatenlos bleibt, weil der eigene Stiftungszweck Journalismusförderung nicht vorsieht, entzieht sich der gesellschaftlichen Verantwortung. Dieses Bewusstsein muss bei den Entscheider:innen im Stiftungssektor sehr viel lebendiger werden. Und zwar schnell, so lange noch Zeit ist, etwas zu retten oder neu aufzubauen.
Was braucht es Ihrer Meinung nach, damit der gemeinwohlorientierte Journalismus künftig mehr zivilgesellschaftlichen Rückhalt erfährt?
Journalist:innen haben zu spät angefangen, den Menschen zu erklären, warum ihre Arbeit für das Gemeinwesen wichtig ist und warum es sie nicht zum Nulltarif geben kann. Mehr Aufklärung bringt (vielleicht) mehr Wertschätzung. Und viele gemeinnützige Startups vibrieren zwar von intrinsischer Motivation, haben aber von ihren Zielgruppen keine Ahnung. Mangelnde Professionalität führt so zu kurzer Lebensdauer. Was will ich damit auf die Frage antworten? Gemeinnütziger Journalismus muss mehr Lobbying in eigener Sache organisieren. Sichtbar werden. Professioneller.
Jens Rehländer war mehr als 20 Jahre bei GEO in Hamburg und ist seit 2010 Kommunikationschef der VolkswagenStiftung in Hannover, der größten privaten Wissenschaftsförderin in Deutschland.
Dieses Kurzinterview ist ein Auszug aus dem „Whitepaper Non-Profit-Journalismus“ von Leif Kramp und Stephan Weichert, das Handreichungen für Medien, Politik und Journalismus bietet. Es erscheint im Oktober 2023 bei der Otto-Brenner-Stiftung und wird dort sowohl in gedruckter als auch in digitaler Fassung kostenfrei erhältlich sein.