„Ich kenne kein überzeugendes Konzept für eine staatliche Presseförderung“
3 Fragen, 3 Antworten: Elisabeth Niejahr, Geschäftsführerin der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung
Was kann gemeinnütziger oder gemeinwohlorientierter Journalismus leisten? Und wie lässt er sich finanzieren? Drei Fragen an Elisabeth Niejahr, Geschäftsführerin der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung.
Was könnte uns drohen, wenn sich die Medien- und Journalismuskrise weiter verschärft?
Ohne unabhängige Medien gibt es keine liberale Demokratie. Kritische Berichterstattung ist nicht nur bundesweit, sondern auf regionaler Ebene unbedingt nötig – auch das Tun von Bürgermeister:innen und Regionalverwaltungen muss journalistisch aufbereitet und eingeordnet werden. Das gleiche gilt für Unternehmen – ich bedaure schon länger, dass auch große Häuser immer seltener in die Berichterstattung über einzelne Firmen oder Branchen investieren. Für mich ist das eine der Stärken meines früheren Arbeitgebers, der „Wirtschaftswoche“. Wir brauchen mehr davon! Ohne Kontrolle sinkt die Qualität der politischen Arbeit, was wiederum für Misstrauen der Bürger:innen sorgt und von Demokratieverächtern ausgenutzt werden kann.
Inwiefern sollten sich deutsche Stiftungen in die Journalismus- und Presseförderung einbringen?
Viele Stiftungen fördern innovative Medienprojekte, auch die Hertie Stiftung, etwa das „Karla Magazin“, ein digitales Angebot für Konstanz. Grundsätzlich sehe ich die Rolle von Stiftungen weniger darin, unmittelbar Redaktionen oder einzelne Stellen zu finanzieren als die Voraussetzungen für Qualitätsjournalismus zu schaffen – zum Beispiel durch Stipendien- und Weiterbildungsprogramme für Journalist:innen oder finanzielle Unterstützung von Vernetzungstreffen.
Wie lassen sich Staatsferne und eine mögliche strukturelle Presseförderung seitens der Politik in Einklang bringen?
Ich kenne bisher kein wirklich überzeugendes Konzept für eine staatliche Förderung von Qualitätsmedien jenseits von Unterstützung bei Ausbildung und Infrastruktur.
Elisabeth Niejahr ist seit 2020 Geschäftsführerin der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung für den Bereich „Demokratie stärken“. Zuvor war sie Chefreporterin der „Wirtschaftswoche“, Hauptstadtkorrespondentin und stellvertretende Büroleiterin der „Zeit“ und „Spiegel“-Redakteurin. Sie studierte Volkswirtschaftslehre, besuchte die Kölner Journalistenschule, schrieb mehrere Bücher und war häufig in Talkshows zu Gast.
Dieses Kurzinterview ist ein Auszug aus dem „Whitepaper Non-Profit-Journalismus“ von Leif Kramp und Stephan Weichert, das Handreichungen für Medien, Politik und Journalismus bietet. Es erscheint im Oktober 2023 bei der Otto-Brenner-Stiftung und wird dort sowohl in gedruckter als auch in digitaler Fassung kostenfrei erhältlich sein.